11. November 2021

„Die Welle der Angst. Meine Flucht aus der DDR“

Eine Autorenlesung. Ein Schriftsteller also. Einer wie Daniel Kehlmann.

Das hört sich nach Abwechslung vom normalen Unterricht an, lässt uns in eine nicht ganz so entfernte Geschichte blicken, erweitert den Horizont.

Daniel Kehlmann also.

Der, der da auftauchte, sah so gar nicht aus wie der Erfolgsautor von der „Vermessung der Welt“, eher wie jemand, der in der breiten Masse überhaupt nicht auffällt, auch nicht auffallen will, hinter dem der zufällige Betrachter kaum eine derartige Geschichte vermutet.

Maik Torstecher wurde1968 in Malchin geboren, war als Jugendlicher ein erfolgreicher Judoka und wollte daher unbedingt an der Deutschen Hochschule für Körperkultur Sport studieren, wurde aber ohne Angabe von Gründen abgelehnt.

Sicher gab es auch schon vorher eine kritische Sicht auf den Staat, in dem er lebte, aber diese willkürliche Entscheidung veranlasste den jungen Mann dazu, gemeinsam mit seinem Freund durch das sumpfige Gebiet an der Berliner Mauer zu fliehen.

Zwei Jugendliche, nicht älter als 20 Jahre, robben durch den Dreck, kratzen sich förmlich mit den Händen durch jedes Hindernis und erstarren fast vor Angst beim Herannahen von Grenzsoldaten. Ihre Entdeckung würde den Tod bedeuten, aber die Flucht könnte auch durch eine der Selbstschussanlagen beendet werden. Mit 20. Wer will da sterben? Ganz klar, dass die Welle der Angst nicht nur einmal durch den Körper raste.

Wie die Flucht ausging, blieb offen. Herr Torfstecher wird uns das Buch zukommen lassen, so dass wir selbst nachlesen können.

Aber dass er es geschafft hat, dieser Situation nicht nur körperlich unversehrt zu entkommen, zeigt sein Werdegang: Heute arbeitet er als Kampfsportlehrer, gibt Kurse in Gefängnissen und hat ein Buch geschrieben.

Wie auch die schweren Jungs in seinen Trainingsgruppen hätten wir ihm nicht zugetraut, dass er fünf Betonsteine auf einmal mit dem Kopf zerschlägt, aber die Bilder aus sei Wettbewerben belegen das.

Das, was er aus seinem Buch gelesen hat, war sicher nicht vergleichbar mit Daniel Kehlmann, aber dafür so authentisch, dass es allein dadurch wirkte. Etwas ganz Persönliches, was es doch wert ist, nicht nur der persönlichen Reflektion und der Aufarbeitung des Geschehenen zu dienen, sondern etwas, was wichtig ist für die jetzt fast Zwanzigjährigen: Eine Diktatur heißt auch so, weil sie jedem persönlich sein Leben diktieren kann, sie nimmt es sich heraus, darüber zu bestimmen, wie und wo jemand zu leben hat und eben auch, sein Leben zu beenden, wenn er sich widersetzt.

Das will niemand mehr.

 

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