20. Oktober 2021

So nah und doch so fern

war den meisten von uns bisher die Lewitz, ein 12000 Hektar großes Wald- und Wiesengebiet. Unsere fachkundigen Führer erklärten uns die Prinzipien der modernen Waldwirtschaft: keine Monokulturen, sondern möglichst ein Mischwald, der sich selbst durch eigenes Saatgut ausbreitet. Dann entscheidet der Förster später, welcher Baum entnommen werden muss, weil er andere behindert, und welcher in vielen Jahren Holzlieferant wird.

Der etwa vier Kilometer lange Weg war mit zum Teil anspruchsvollen Aufgaben versehen, aber unsere Schüler aus dem Leistungskurs Mathematik, besonders Steven, wussten, wie die Höhe eines Baumes mit einer Winkelberechnung bestimmt werden kann. Todesmutig wagte sich dann auch Tjorben durch ein Brennnesselfeld, um das zu überprüfen. Den sportlichen Balance-Übungen waren alle gewachsen.

Neues erfuhren wir auch: Was ein Köhler ist- Phillipp wusste auch, dass es einen Fisch mit diesem Namen gibt, was Mastbäume sind und dass niemand einen Tannenzapfen sammeln kann, weil der in Einzelteilen auf den Boden fällt.

Äußerst hart fiel jeder Verbrecher auf den Boden des Neustädter Burgverlies´, wenn er durch die Öffnung acht Meter in die Tiefe geworfen wurde. In der Regel bedeutete das sein Ende. Die schöne Seite des Burglebens bestand sicher darin, dass Barden, also Minnesänger, ihre Verehrung für die „holden Frauen“ talentiert vortrugen. Unser Burgführer, der Barde Thielius, führte uns das auf beeindruckende Weise vor und gab den Jungen einen guten Rat mit auf den Weg: Seine Angebetete könne man mit Versen erobern!

Verse hat Johannes Gillhoff nicht geschrieben, aber der Lehrer, Germanist, Volkskundler und Schriftsteller wurde bekannt durch seinen Briefroman „Jürnjakob Swehn der Amerikafahrer“. Ein ehemaliger Schüler seines Vaters ist nach Amerika ausgewandert und schrieb seinem Lehrer Briefe über alles, was er erlebte. Daraus wiederum entstand dieser Roman, den der Sohn des Adressaten, dessen Grab sich auf dem Ludwigsluster Friedhof befindet, aus dem Nachlass des Vaters entwickelte.

Ein „Kirchhof“ mag ein eigenartiges Exkursionsziel sein, aber die Landschaftsarchitektin Frau Weise stellte uns diesen als Ort der Ruhe, der Begegnung und damit auch der Zukunft vor.

Besonders beeindruckte uns auch das Grab eines ehemaligen Mathematiklehrers. Auf der Gedenkstele war alles verewigt, was ihm wichtig war. Ein Kreuz, die Eulersche Formel und eine Kugel mit der Gravur der Zahl π.

Wie die benannte Formel war der Film am Nachmittag „Bis an die Grenze“ für manche von uns ein ebensolches Rätsel. Letzteres können wir allerdings noch durch ein Gespräch darüber klären.

Am letzten Tag näherten wir uns unserer Kreisstadt Parchim an. Eine Stadt mit vielen imposanten Ecken, die wir mehr oder weniger im Regen erlaufen haben. Ganz deutlich wurde uns, dass man für den Beruf des Stadtführers eine besondere Gabe besitzen muss.

Die Gabe, Zuschauer für sich einzunehmen, besitzt die Schauspielerin des Parchimer Theaters beim Nibelungenlied im Übermaß. Egal, ob sie Kriemhild, ihre drei Brüder, Hagen, Siegfried oder Brünhild darstellte, sie war immer überzeugend.

Unsere unmittelbare Umgebung ist uns in jedem Fall nähergekommen. Trotzdem freuen wir uns, im kommenden Jahr wieder auf Fahrt zu gehen.

 

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